Zeugnissprache & Geheimcodes

Wer ein Arbeitszeugnis von seinem (ehemaligen) Arbeitgeber einfordert, erwartet in der Regel eine ehrliche Bewertung seiner Leistungen im Unternehmen. Dazu gehört der Umgang mit ihm übertragenen Aufgaben, Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen oder auch die Weiterentwicklung während der Beschäftigung im Unternehmen.

Wer das Arbeitszeugnis schreibt, verwendet normalerweise eine gängige „Sprache“ um bestimmte Sachverhalte zu benoten. Als ungeübter Leser eines Arbeitszeugnisses kann eine Formulierung durchaus gut klingen – ist aber weniger gut eingestuft. Hier lernen Sie Ihr Arbeitszeugnis besser zu lesen.

Der Anspruch des Arbeitnehmers

Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf ein anständiges Arbeitszeugnis. Dieses sollte „wohlwollende“ formuliert werden, sodass dem ehemaligen Arbeitnehmer bei einer Bewerbung durch das Zeugnis keine Nachteile entstehen können.

Aus diesem Grund wird in den Arbeitszeugnissen eine durchaus wohl formulierte Sprache verwendet, die bei genauer Betrachtung durchaus eine Benotung seiner Leistungen enthält.

Die Benotung durch Formulierung

Die Folgenden Formulierungen zeigen beispielhaft, wie ein Arbeitnehmer nach Schulnoten bewertet werden kann:

Beispiel 1:

Herr Kramer erledigte ihm zugetragene Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit.“

Der Klassiker unter den Bewertungen. Mit dieser Aussage wird ein Arbeitnehmer mit der Bestnote 1 – sehr gut – bewertet.

Das genaue Gegenteil davon bedeutet:

Herr Kramer bemühte sich im Allgemeinen den Anforderungen zu entsprechen.

Das bedeutet soviel wie: „Er hat es zwar versucht, aber er konnte es einfach nicht.“ – Note 6 – ungenügend.

Beispiel 2:

Das Verhalten von Frau Meier gegenüber ihren Vorgesetzten und Kollegen war einwandfrei.

Mit dieser Formulierung erhalten Sie eine gute (Note 2) Bewertung.

Dieser Satz liefert nur eine mangelhafte kollegiale Zusammenarbeit (Note 5).

Frau Meier war während Ihrer Beschäftigung in unserem Unternehmen stets um ein gutes Verhältnis gegenüber Vorgesetzten und Kollegen bemüht.

Beispiel 3:

Bei folgenden Aussagen können sich Arbeitnehmer über eine Bewertung im Mittelfeld (Note 3 – 4) freuen:

Herr Kaufmann zeigte in seiner langjährigen Abreit in unserem Unternehmen, dass er über solide Fachkenntnisse verfügt.

Solide Fachkenntnisse bedeutet soviel wie: „Es war okay, könnte aber besser sein.“ – Note 3.

Ein paar Abstriche mehr müssen allerdings bei folgender Formulierung gemacht werden (Note 4):

Während seiner Arbeit in unserem Unternehmen zeigte Herr Kaufmann, dass er über ein solides Basiswissen verfügt.

(Sehr) gute Bewertungen

Arbeitgeber verwenden im Allgemeinen Verben und Adverbien in der gesteigerten Form wie:

  • zur vollsten Zufriedenheit
  • war im höchsten Maße zuverlässig
  • verstand es in allerbester Weise

Leistungen werden besonders hervorgehoben:

  • Ziele wurden meist hoch übertroffen
  • zeigte außergewöhnliches Engagement
  • fand optimale Lösungen

(Sehr) schlechte Bewertungen

Da Arbeitgeber ihre Mitarbeiter nicht diffamieren dürfen oder ihnen durch ein Zeugnis den Weg zu einer neuen Beschäftigung verbauen dürfen verwenden sie in einem solchem Fall ehrliche aber umschriebene Formulierungen.

Dazu zählen:

  • war bestrebt seine Leistungen zu erbringen
  • Verhalten war im Wesentlichen tadellos
  • war in der Regel erfolgreich
  • zeigte nach Anleitung – Fleiß und Ehrgeiz

Ein vernichtendes Urteil bescheinigt allerdings folgende Passage:

[…] hatte zu seinen Arbeitskollegen ein weit besseres Verhältnis, als zu seinen Vorgesetzten. […]

Bei einer solchen Formulierung sollte sich der Arbeitnehmer zu einen fragen, was hier falsch gelaufen ist und zum Anderen, ob er über dieses Arbeitszeugnis mit seinem Arbeitgeber noch einmal redet und gegebenenfalls diese Passage streichen lässt. Denn damit dürfte er es schwer haben auf dem Arbeitsmarkt.

WICHTIG

Es sollte immer das gesamte Arbeitszeugnis in einem Zusammenhang betrachtet werden und nicht nur Teile oder einzelne Formulierungen. Aus dem Zusammenhang gerissen ergeben sich unter Umständen ganz andere Sachverhalte.

Die oben aufgeführten Beispiele stellen nur Anhaltspunkte dar – keine Gesetzmäßigkeiten. Im Zweifelsfall sprechen Sie Ihren Arbeitgeber darauf an und lassen Sie das Zeugnis überarbeiten.